Auf ein Utfloog in Hamburg | Nachhaltig unterwegs mit dem Zug in den hohen Norden

Die Perle des Nordens eignet sich perfekt für ein verlängertes Wochenende. Ob man die Stadt bei einem Törn auf der Elbe erleben oder die futuristische Hafencity erkunden möchte: Hamburg hat viel zu bieten. Hier die besten Tipps für Kulturbegeisterte und Actionliebhaber.

Artikel veröffentlicht in der «Neuen Zürcher Zeitung» am 10. September 2023.

Gemütlich düst der Zug mit 250 km/h durchs Flachland. Mit stabiler WLAN-Verbindung und leckeren Snacks lässt es sich gut acht Stunden aushalten, optimal um einen Home-Office Tag in der deutschen Bahn zu verbringen. Es grenzt fast an ein Wunder, aber: Auf Langstrecken kommt es kaum zu Ausfällen oder Verspätungen. Wer also an Flugscham leidet und dadurch vom Fliegen abgehalten wird, erreicht die bedeutendste Hafenstadt Europas auch per Schiene. Für tiefe Schläfer lohnt sich auch die Option der Nachtzüge, die an den Hogwartsexpress erinnern und einem am nächsten Morgen das Frühstück ans Bett bringen.

Warum sich ein Besuch lohnt

Die Hansestadt im hohen Norden schaut auf eine lange und spannende Geschichte zurück. Bereits im 9. Jahrhundert entstand hier die erste Siedlung, welche später dann den Handel in Europa dominierte. Daher auch der Name: «Hanse» stand für eine der mächtigsten Handelsorganisation des Mittelalters. Die Stadt an der Elbe gilt also seit Jahrhunderten als wichtiger Knotenpunkt – der Hafen ist nach wie vor das Herzstück der Stadt.

Täglich gehen riesengrosse Frachter ein und aus, mehr als 1.8 Millionen «Nordlichter» wohnen inzwischen hier. Viele von ihnen sind seit Generationen gebürtige Hamburger – und stolz darauf. Eine von ihnen ist Lynn Kühner, die seit sieben Jahren als Backfee beim Sat. 1 Frühstücksfernsehen tätig ist und die Hotspots der Stadt bestens kennt.

Begeistert schwärmt sie: «Hamburg ist total entspannt, ohne langweilig zu sein. Ein toller Ort, der zugleich elegant, urban, grün und authentisch hanseatisch ist».

Besonders der Mix aus alten Gebäuden und zeitgemässer Architektur gefalle ihr, weshalb sie unbedingt einen Besuch in der Hafencity empfiehlt. Das brachliegende Aussenquartier wurde während achtzehn Jahren umgebaut und kürzlich fertiggestellt. Schnell mauserte es sich zum neuen Place-To-be. Mit 157 Hektaren gilt es als grösstes innerstädtische Entwicklungsprojekt Europas, welches Charme, Moderne und Geschichte vereint.

Das It-Quartier ist aber nicht nur ein architektonisches Highlight, sondern auch ein Beispiel für nachhaltige Stadtentwicklung. «Mit zahlreichen Parks, Grünflächen und Promenaden am Wasser ist die Hafencity auch ein Ort der Erholung und Entspannung – und ein Muss für jeden Besucher der Hansestadt», führt Kühner aus. Zu den bekanntesten Bauwerken zählen das Unilever-Haus, der Marco Polo Tower und die Elbphilharmonie.

Letzteres empfiehlt Kühner wärmstens als Ausgehtipp: «Mein erstes Konzert in der Elphi war eine Trommlergruppe – also nicht unbedingt das, was man erwarten würde. Aber es war ein super Erlebnis in einem Konzertsaal, den man einfach mal von innen gesehen und gehört haben muss. Dabei ist eigentlich egal, wo man sitzt oder um was für eine Veranstaltung es sich handelt – hin da!»

Wer kein Ticket mehr kriegt, kann einen Kaffee trinken gehen auf der tollen Aussichtsplattform, von der man den Blick über das maritime Hafengelände und die lebhafte Elbe schweifen lassen kann.

HH bei Regen, Sonne und Sturm

Wer das Wasser lieber spüren als nur betrachten möchte, wird sicherlich glücklich auf einem Törn. «Hamburg vom Wasser aus zu sehen gehört einfach dazu. Danach am Anleger an den Landungsbrücken ein Fischbrötchen mitnehmen, dort gibt es die besten», meint Kühner. Wer den Hunger noch auszuhalten mag, kann sich das Brötchen aufsparen bis zum Elbstrand und da Picknicken. Bei Sommer, Sonne und Strand kommt garantiert Ferien-Feeling auf. Wer da eine Abkühlung braucht, wird fündig in der Strandperle und kriegt da ein Alsterwasser – oder im «Schlecks Eisladen», wo es tolle vegane Optionen gibt.

Und was tun bei Hamburger Schiitwetter? Zum Glück gibt es genügend Indoor-Aktivitäten, zum Beispiel das Zollmuseum, Harrys Hafenbasar oder die Escape-Rooms auf dem Museumsschiff Rickmer Rickmers, die durch Kajüten und das Schiffsbug führen. Autofans kommen im Prototypmuseum auf ihre Kosten und Kinofans in der Astor Film Lounge. Die lässigste Schlechtwetter-Option aber sei das Miniatur Wunderland. Kühner dazu: «Andauern wird es erweitert und erneuert, so gibt’s jedes Mal Neues zu entdecken. Aktuell haben sie eine Virtual Reality Experience aufgebaut, bei der man sich kleinschrumpfen lassen kann und so durch’s Miniatur Wunderland spazieren kann, um Challenges zu lösen. Unbedingt buchen vorher!»

Geschichte und Gegenwart

Möchte man die Stadt lieber «in echt» erkunden, bietet sich die St. Pauli Krimitour an. Bei der interaktiven Verbrecherjagd durch die Hansestadt lernt man viel über ehemalige Kiez-Grössen und sieht einige der spannendsten Tatorte der Stadt. Auf dem Rundgang von der Reeperbahn zur Speicherstadt löst man gemeinsam einen Fall – Action für die ganze Familie. Weiter in Fahrt kommen Adrenalinjunkies bei den «Urban Heroes Bootcamps», die täglich Walk-In Klassen anbieten. Und wer lieber nachts unterwegs ist, für den ist die SUP Light Night Tour perfekt – also eine leuchtende StandUp Paddel Tour kurz vor Sonnenuntergang.

Weniger heiter, doch nicht weniger wichtig ist eine Zeitreise in die Geschichte. Wer mehr über den zweiten Weltkrieg und die Zeit danach erfahren möchte, findet dazu Informationen auf einem Spaziergang durch den alten Elbtunnel oder etwa im Lohsepark. Da steht eine Gedenkstätte am «Hannoverschen Bahnhof», die an die Deportation von rund 8'071 Menschen erinnert. Und obwohl Hamburg heute eine moderne, pulsierende Stadt ist, geht ein Besuch kaum ohne Blick in die Vergangenheit.

Stehaufmännchen- und weibchen

Dabei erstaunt, wie sich die Hansestadt seither entwickelt hat, denn im Juli 1943 wurden in der «Operation Gomorrha» grosse Teile der Stadt stark beschädigt. Über 34'000 Menschen starben dabei und eine Million wurden obdachlos. Der Wiederaufbau dauerte fast zwanzig Jahre, eine zentrale Rolle dabei spielten die Trümmerfrauen: Freiwillige Frauen, die sich meldeten, um die Schuttmassen wegzuräumen und jahrelang unter schwierigsten Bedingungen arbeiteten.

Zusammen mit mutigen Planern setzten sie ein modernes Konzept um. So nutzten sie die Zerstörung der alten Infrastruktur, um die Stadt zu modernisieren und gänzlich neue Viertel aufzubauen. Resilienz und Hartnäckigkeit haben die Hamburger also im Blut, «gepaart mit ganz viel Freundlichkeit und trockenem Humor», fügt Kühner lächelnd hinzu. Kiek mol wedder in und bis bald!

Tipps

Übernachten

  • WestIn Hotel 
    Das WestIn Hotel bietet einen atemberaubenden Ausblick und ist direkt bei der Elbphilharmonie. Durch die Lage inmitten der Hafencity ist es ein perfekter Ausgangspunkt, um Hamburg zu erkunden und geniessen. 
  • Tortü Hotel
    Das moderne Boutique-Hotel mit stylischem Design verfügt über einen freundlichen Service und liegt sehr zentral in St. Georg. Aufgepasst Frühstücksfreunde: Der reichhaltige Samstagsbrunch ist äusserst beliebt und muss unbedingt im vorneherein reserviert werden.

Anschauen

  • Musicals 
    Spektakuläre Musicals wie «König der Löwen» oder «MAMMA MIA» laufen an diversen Standorten nahe der Hafencity. Auch den Broadway-Hit «Hamilton» gibt’s hier zu sehen, sogar in Deutscher Ausführung. Ausserdem kann mit der Fähre hinfahren. 
  • Fussballspiel
    Die legendären Fussballclubs St. Pauli oder HSV sind in der Hansestadt Zuhause – ein Spiel live anzuschauen lohnt sich allemal. 
  • Spazierstrecke
    Planten und Bloomen ist ein wunderschöner Park auf dem Weg von St. Pauli zum Hafen. 
  • Aussicht
    Die St. Michaelis Kirche hat einen hohen Turm, der eine fantastische Sicht über die Altstadt ermöglicht. Wunderschön am Wasser entspannend kann man auf en Magellan Terrassen. Grossstadt-Idylle pur! Die Kräne, die am südlichen Rand des Wassers stehen, machen das Bild komplett.

Essen

  • Kaffee und Kuchen
    Richtig guten Kaffee trinkt man in der «Speicherstadt Kaffeerösterei» mit einer eigenen historischen Rösterei, wie es sich für eine alte Handelsstadt gehört. Auch zu empfehlen ist das urige «Café am Fleet» in der Deichstrasse. 
  • Alte Liebe
    Das offiziell «beliebteste Brunch-Lokal» Deutschlands ist laut dem Gourmetmagazin Falstaff die Alte Liebe. Den hochgelobten Brunch gibt es jeweils sonntags für 32 Euro, mit dabei sind auch Räucherfischspezialitäten. Vieles davon kriegt man auch vegan oder vegetarisch. Das Lokal ist im Kaispeicher B in einem denkmalgeschützten Lagerhaus gelegen, welches durch lässigen Industriecharme betört. Ausserdem ist das Internationale Maritime Museum im selben Gebäude untergebracht, auch ein sehr cooles Ausflugsziel und herrlich passend zur Hansestadt. 
  • Fleetschlösschen
    Perfekt für ein herzhaftes Mittagessen: Traditionell den Hamburger Labskaus bestellen oder ein Fischbrötchen - wie echte Seeleute eben. 
  • Fisch & Co.
    Rustikales Ambiente, noch mehr tolle Fischgerichte und lokale Spezialitäten kriegt man hier. Unbedingt probieren sollte man dabei den Hamburger Pannfisch. 
  • The Lisbeth
    Moderne Küche auf Sterneniveau, schön eingebettet in der historischen Deichstrasse. Die Speisekarte ist klein aber fein, saisonal ausgelegt und wechselt wöchentlich. Sehr lecker, eignet sich gerade auch mittags gut. 
  • Carls Bistro 
    Zu finden in der Brasserie Carl, herrlich moderne französische Küche mit schönem Ambiente. Besonders zu empfehlen sind die Tartines: Die Nicoise schmeckt wie auf der Promenade in Nizza. 
  •  Boilerman Bar
    Was hier hinter dem Tresen passiert, ist nichts als pure Magie: Eine wirklich aussergewöhnlich breite Auswahl an Drinks aus allen denkbaren (auch alkoholfreien) Spirituosen. Liebhaber von Gin Tonic werden hier ihr Mekka finden. Wer gerne mal etwas Neues ausprobieren möchte, sollte unbedingt den «Very Sexy Rattlesnake» ausprobieren.
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